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KLEINE ANLEITUNG ZUM FAULSEIN

Die Entbehrungen, die Kartoffel, gefärbter Wein und der preußische Schnaps haben in raffinierter Verbindung mit Zwangsarbeit unsere Körper erschlafft und unseren Geist verkleinert. Die alten Philosophen stritten sich über den Ursprung der Ideen, aber sie waren sich einig, wenn es galt, die Arbeit zu verabscheuen. Denn wer seine Zeit für Geld hergibt, verkauft sich selbst und stellt sich auf eine Stufe mit den Sklaven.

Arbeitet, arbeitet, Proletarier, vermehrt den gesellschaftlichen Reichtum und damit euer persönliches Elend! Arbeitet, arbeitet, um, immer ärmer geworden, noch mehr Ursache zu haben, zu arbeiten und elend zu sein! Das ist das unerbittliche Gesetz der kapitalistischen Produktion. Das setzt voraus, daß der Euro jenes Zeichen ist, das verführt, weil es verspricht, wovon in Wirklichkeit jeder träumt: die Glückseligkeit der Faulheit.

Nirgendwo verkündet ein Arbeitssystem die Losung „Die Wahrheit deines Strebens ist der Weg zur Faulheit“. Statt in den Zeiten der Krise eine Verteilung der Produkte und allgemeine Belustigung zu verlangen, rennen sich die Arbeiter vor Hunger die Köpfe an den Toren der Fabriken ein. Das Gesundheitswesen wird unfinanzierbar und zerfällt in ein Klassensystem. Kunst und Kultur werden auf das Kriterium der Marktgängigkeit verwiesen und sterben ab. In aller Offenheit gilt das Gesetz der sozialen Euthanasie: Weil du arm und „überflüssig“ bist, mußt du früher sterben. Staaten und Nationen implodieren, die von der Überlebenskonkurrenz in den Wahnsinn getriebenen Arbeiter fallen in ethnischen Bandenkriegen übereinander her.

Von dem Augenblick an, wo die europäischen Produkte am Ort verbraucht und nicht mehr zum Teufel geschickt werden, werden auch die Seeleute, die Verladearbeiter und die Fahrer anfangen, Däumchen drehen zu lernen. Dann werden die glücklichen Südseeinsulaner sich der freien Liebe hingeben können, ohne die Fußtritte der zivilisierten Ankömmlinge und die Predigten der europäischen Moral zu fürchten.

Die Arbeit muß verflucht werden, wie es auch die Legenden vom Paradies überliefern, die Faulheit aber sollte das sein, wonach der Mensch zu streben hat. Diejenigen, die nicht in der Lage sind, ihren Titel als Nichtsnutz nachzuweisen, wird man ihren Instinkten nachgehen lassen: es gibt genügend abstoßende Berufe, um sie unterzubringen. O Faulheit, Mutter der Kunst und der edlen Tugenden, erbarme Du Dich des menschlichen Elends!


Remix von Abschnitten aus
Paul Lafargue: Das Recht auf Faulheit. (1883)
Kasimir Maljevitsch: Die Faulheit als tatsächliche Wahrheit der Menschheit (1921)
Gruppe KRISIS: Manifest gegen die Arbeit (1999)


last update: 26. jan 2018